Christa Nebenführ schreibt in Buchkultur

Dreckig, gnadenlos, gerecht … … so sind Schacht und seine Männer vom Berliner SEK (Spezialeinsatzkommando). Hart im Nehmen, aber auch im Austeilen. Als Teamführer Schacht für zwei Monate als Praktikant in der Mordkommission Dienst schiebt, wird ein ehemaliger Kollege erschossen aufgefunden. Selbstmord oder Mord? Wie in jedem Krimi geht es auch in „Steinefresser“ um die Lösung eines Falles, aber es ist die Milieuschilderung, die ihn unverwechselbar macht: Im Polizistenjargon heißen jene Kollegen, die bei gefährlichen Demos mit Schild und Visier in der ersten Reihe stehen, „Steinefresser“. Und wer sein Berufsleben lang die Fresse für die Gesellschaft hinhält, der darf auch mal übertreiben, wenn er sie einem Gauner poliert. Das ist die Kernaussage. Gewalt im Namen des Guten ist nicht nur verzeihlich, sondern glorreich. „Sie suchten keine Opfer, sie suchten Gleichgesinnte. Gladiatoren, wie sie selbst“, verrät uns der Erzähler über die Motive von Beamten, die in ihrer Freizeit Schlägereien provozieren. Sein Chef „erinnerte Schacht so manches Mal an einen gereiften Schlagersänger“. Plötzlich hat man’s: Gunter Gabriel, wenn er Johnny Cash singt! (Tatsächlich hört Schacht dauernd wehmütig Johnny Cash.) Der Autor Michael Behrendt blickt auf eine Karriere im typischen Berliner Boulevard zurück, wo erfrischende Stilblüten den Brei aus Mord und Totschlag aufzulockern pflegen. Eine Sitte, der er auch im Roman treu bleibt: „Der Haudegen hatte sich inzwischen einen Kaffee bestellt.“ Niemals bestellen die Protagonisten einfach (beispielsweise) Wein oder Bier, sondern sie bestellen sich einen Wein usw. Eine in diesem Genre ungeübte Leserin braucht ein Weilchen, ehe sie begreift, dass es sich nicht um Satire, sondern um echte, ehrliche Chauvi-Romantik handelt. Und wenn sie dann bedenkt, dass Nicolas Chauvin eine Karikatur-Gestalt des Pariser Lustspiels war, leuchtet ihr die Beinahe-Verwechslung vollkommen ein. Christa Nebenführ

 

Navigation